Die Natur als Metapher
Als Malerin und Keramikerin schöpft Karola Smy vorwiegend aus der unmittelbaren Natur.
Sie ist geradezu neu-begierig auf die Lebe-Welt, Lebe-Wesen, meist Insekten, Vögel,
Reptilien und Fische, sind die Akteure ihres Welttheaters.
Erzählerisch, heiter, hintersinnig, ironisch, skurril arrangiert sie Szenerien. Oder sie
läßt in Parks auf subtile Weise Pflanzen-Wesen kommunizieren. Damit offenbart sie
oft unscheinbare Wechselbeziehungen, wie sie in natura passieren. Mitunter verkappt sie –
und das besonders in ihren Keramiken – die Formen zu schablonen-haften Symbolen.
Also Naturdarstellungen als Allegorien, die Natur als Metapher.
Ich zeichne vor der Natur
und alles, was mich interessiert, sammle ich in meinen Skizzenbüchern auf.
Meist sind es Lebewesen wie Insekten, Vögel, seltene Tiere und Pflanzen,
die in Königsgärten und an verwunschenen Orten auftreten.
In der letzten Zeit habe ich Bilder und Grafiken zur Literatur gemacht.
Beim Drucken arbeite ich mit Ölfarbe, deren Schichten ein haptisches Übereinander
bilden. Bevorzugt arbeite ich im Hochdruck in der Technik der verlorenen Form.
Bei meinen Keramiken habe ich Skulpturen und Objekte mit Glasurmalerei überzogen,
ähnlich wie beim Emaillieren. Die Boxen sind Teil einer Serie mit gleichen Formen, aber
verschiedenem Thema. Auf ihrer Oberfläche versammeln sich kleine Plastiken, oder sie
sind bemalt und huldigen so einer barocken Liebe.
Bilder aus dem Tagebuch
... Und ist es nicht tatsächlich so, daß all die Viehzeuger auf ihren Bildern auch dann noch lachen, wenn sie ganz und gar auf Farbe und Form reduziert sind? Und ist es nicht tatsächlich so, daß selbst Karolas Gespensterheuschrecken ganz kleinriesig grünwiesig daherkommen und trotz ihrer insektisch-dürren kafkaesken Vielbeinigkeit ausgesprochen sympathisch wirken?
Die Bilder von Karola Smy sind nämlich keine Abbilder. Sie taugen nicht zur wissenschaftlichen Bestandsaufnahme, und sie sind auch nicht dafür vorgesehen. Die Künstlerin formuliert ihre Weltsicht auf ihre Weise. Folgerichtig trägt diese ihre Welt dieses ihr Lächeln. Es ist eine Welt voller Harmonie aber durchaus nicht ohne Trauer. ...
Wie ihr Mann, hat auch Karola Smy einen gewissen Hang zur Serie. Im Moment stehen da noch die Linolschnitte im Vordergrund, die sie mit Ölfarben druckt. Sie arbeitet vielfarbig mit der verlorenen Form. Dabei wird die Druckplatte von Farbe zu Farbe immer weiter abgearbeitet. Die nicht mehr weiter verwendbaren Platten bemalt sie dann und gestaltet sie so zu Unikaten. Ihre Arbeitsweise erfordert jene besondere Fähigkeit, die den Wirtschaftslenkern des realen Sozialismus ebenso fehlte, wie sie denen des realen Kapitalismus fremd ist, sie muß genau planen können. Sie muß von Farbe zu Farbe wissen, was sie will, und sie weiß es. Ich bewundere ihre vielfarbigen Öldrucke schon aus diesem Grunde.
Die Lebens- und Arbeitswelt der Künstlerin erschöpfend darstellen zu wollen, wäre ein abendfüllendes Programm.
Mit dem folgenden Gedicht versuche ich eine Kurzfassung:
Sujet
für Karola Smy
kleinriesig
grünwiesig.
heuschrecklich
grünschlecklich
sonnräklich
kahlstänglich
samtpfötig
sonnwiesig
heuhäufig
Sommerbild
(vorläufig)
Thomas Gerlach, Radebeul 2009
Jungfrau trifft Phasmegeant
Dieser Titel steht gewissermaßen programmatisch über den hintergründig-schönen
Bildern voller Insekten und Pflanzen, die in ihrer zeichnerischen Zartheit und ihrer
Farbgebung daran erinnern, daß Karola Smy 1988 in der Porzellanfabrik Ksanz in
Walbrzych mit den feinen Scherben zu tun hatte. Die Arbeiten wirken wie ein Bilderbuch
für Erwachsene.
Man fühlt sich wie Liliput im Riesenland, läßt sich vom Leben der Phasmegeanten
einfangen, das Karola Smy im Jardin de Plantes in Paris entdeckte, folgt ihr in
"Kirstenbosch Garden" (1997) oder zur "Isola bella" (1998).
Man empfindet eine wunderbare "Leichtigkeit des Seins". taucht ein in eine Welt von Grün,
angereichert mit etwas Rot und mehr Gelb und hebt gänzlich ab ins Reich der Phantasie
angesichts der in einem grünen Wasserlabyrinth auftauchenden bekrönten weißen Vögel
der Isola bella.
Als exzellente Zeichnerin stellt sich Karola Smy mit einer Reihe Tuschblätter auf Himalayapapier
und Papyrus vor.
(Auszug)
Aus dem Leben der Phasmegeanten
Die Blätter spüren kaum Tritte. Leicht berühren die zarten Tiere das Grün, das ihnen Nahrung und Wohnung ist. Eine Blume wird zu einem grünem Haus mit vielen belebten Etagen, zu einem grünen Paradies. Immer aufs Neue lädt es wortlos ein.
Lange bitten lassen sich die hüpfenden Tiere nie. Schneller als das menschliche Auge ihnen zu folgen vermag, haben sie sich auf die Blume ihrer Wahl gesetzt. Dort vermissen die nun nichts mehr, solange sie Freunde und saftige Blätter in der Nähe wissen. Unter solchen Bedingungen läßt es sich leben. So gut, daß auch die Vermehrung dieser blattnachahmenden Pflanzenfresser sich gut anläßt und bald so viele Tiere auf einer Blume sitzen müssen, daß einige sich entschließen, zu Wanderheuschrecken zu werden.
Warum eigentlich Heuschrecken? Sie erschrecken niemanden, sind viel zu friedfertig; nur eben auch sehr gefräßig. Sobald eine besetzte Blume keine Delikatessen mehr abwirft, klemmt sich jeder der auf ihr sitzenden Feinschmecker seinen Wanderstab unter den Arm, fährt die Antennen aus - und auf geht es zum neuen Schmaus, zum neuen saftigen Grün, zu neuen Blüten!
Das Leben dieser Tiere hat Farbe. Ein Leben im Immergrün. Und auf leichtem Fuß. Eine kurze Bewegung - und schon woanders sein, wo es besser grünt, wo es besser gefällt! Keine ewige Tretmühle tagein tagaus an selben Ort. Ständig wird gehüpft und geflogen. Immer nur unbeschwertes Dasein, im ewigen Grün ein Rausch des Natürlichen.
Laßt uns im Grünen entlangspazieren, auf Halmen stolzieren! Laßt uns springen, hüpfen, schweben, immer auf zu neuen Halmen, neuen Blüten, neuen Welten! Auf mit unseren Freunden, den Phasmegeanten!